Eggolsheim

Im Juni 2022 machten wir Urlaub in Bayern. Am ersten Tag besichtigen wir Bamberg, am zweiten Tag fuhren wir in das 20km entfernte Eggolsheim.

Für uns ein interessanter Ort, weil Michael Kraus, der Vater meiner Großmutter mütterlicherseits, von dort stammte. Meine Großmutter und drei ihrer Brüder verbrachten ebenfalls ein Teil ihrer Kindheit in Eggolsheim. Grund dafür war die Kinderlandverschickung im zweiten Weltkrieg. Sinn dieser Vorkehrung war, die Evakuierung, da das Ruhrgebiet starkem Beschuss ausgesetzt war.

Die Namen der Mutter, Geschwister, des Schwagers, sowie des Neffen von Michael kannten wir aus Erzählungen bereits. Im Gemeindezentrum hofften wir auf mehr Informationen. Dort gab man uns die Adresse, eines Ahnenforschers, den wir spontan besuchten. Ich hinterließ ihm meine Telefonnummer und alle bekannten Informationen. Den bereits verstorbenen Neffen von Michael kannte der Ahnenforscher sogar persönlich von früher. In der Umgebung leben noch 4 seiner Söhne. Außerdem zeigte er uns das Familienwappen einer Familie Kraus aus Eggolsheim. Ob es sich dabei um meine Verwandten handelt, muss ich noch herausfinden.

Vor 50 Jahren erstellte ein eifriger Ahnenforscher, basierend auf den Kirchenbücher und anderer historischer Dokumente von Eggolsheim, eine Ortschronik. Zu jedem Haus des Ortes schrieb er die Entstehung und Umbauten auf und dazu alle Heiraten, Geburten und Todesfälle der Bewohner.

Meine Vorfahren lebten im Haus 84 (jetzt Hartmannstraße 45). Aus den Aufzeichnungen geht hervor, dass die Familie Kraus seit Mitte des 18. Jahrhunderts in Eggolsheim, in diesem Haus, lebte. Auf dem Bild ist es das dritte Haus von rechts gesehen. Ein niedriges, langgezogenes Haus mit rotem Fachwerk, das übrigens schon 1348 gebaut wurde.

Die nächsten Bilder zeigen das sogenannte Hirtentor. Das heutige Restaurant war früher ein Armenhaus, in das meine Ururgroßmutter Katharina Kraus nach ihrer Zeit in Forchheim zog und wo 1898 ihr viertes Kind, mein Urgroßvater Michael, das Licht der Welt erblickte.

Lange Zeit ging ich davon aus, dass Katharina aus Forchheim kam. Auf der Suche nach ihrem Geburtseintrag schaute ich überall in der Umgebung von Forchheim und nicht nach Eggolsheim. Aber tatsächlich wartete ihr Eintrag im Geburtenregister der Kirche von Eggolsheim mehrere Monate auf mich.

Katharina war das erste und uneheliche Kind der alleinstehenden Dorothea Kraus, die Katharina im Jahr 1856 bei ihren Eltern in der Hartmannstraße 45 zur Welt brachte. Katharinas Brüder Joseph und Georg wurden nicht einmal zwei Jahre alt. 1864 wurde ihr Dritter Bruder Adam Konrad Kraus geboren. Katharina fand keinen Partner und die drei waren deshalb finanziell nicht gut aufgestellt.

Sobald Katharina älter war, zog sie mit ihrer Mutter (ob Adam mitkam ist unklar) in den nächstgrößere Ort Forchheim. Dort war es einfacher Arbeit zu finden und Katharina lebte als Tagelöhnerin mit ihrer kranken Mutter in einer Wohnung in Forchheim. Dort wurde das erste uneheliche Kind, Johann, geboren. Kurz darauf starb Dorothea an Magenkrebs. Katharina schlug sich durch und brachte zwei weitere uneheliche Kinder zur Welt, Margarete und Anna. Sie blieb vermutlich alleinerziehend (oder ihr Bruder Adam kümmerte sich mit um die Kinder).

Auf der Suche nach Anschluss zog sie zurück nach Eggolsheim, aber wurde nicht von ihrer Familie aufgenommen, sondern lebte fortan in einem Armenhaus, das schlecht isoliert und spärlich ausgestattet gewesen sein muss. Vermutlich lebte sie auf engem Raum mit anderen armen Leuten zusammen. Mit Anfang 40 lernte sie den rund 10 Jahre jüngeren Bauernsohn Bartholomäus Mayer kennen. Er wurde der Vater meines Urgroßvater Michael Kraus. Bartholomäus ließ Katharina sitzen. Als sie im 7. Monat von ihm schwanger war, heiratete er die 25-Jährige Barbara Vahold, die natürlich aus einer höheren, sozialen Schicht stammte.

Die Kinder wurden größer, aber auch 30 Jahre nach Einzug in das Hirtentor, lebten sie immer noch dort. Der erste Weltkrieg forderte das Leben von Katharinas älteren Sohn Johann. Er verstarb am 28. Juni 1917 im Hirtentor an einer Gasvergiftung. Michael überlebte ebenfalls nur knapp einen Splitter nahe des Herzens.

Dann folgten Änderungen im Leben der Familie Kraus. Johann war tod. Anna heiratete den Witwer Georg Bernreuther und sie zog mit ihrer Schwester Margarete in sein Haus ein. Michael hörte von Arbeitsstellen im Ruhrgebiet. Eine Zeche in Recklinghausen, die nach dem bayrischen König Ludwig benannt war, warb wohl nach dem ersten Weltkrieg um neue Mitarbeiter. Also zog Michael nach Recklinghausen. Den guten Verdienst teilte er mit seiner Mutter, welche sich ein besseres Leben in einer der schönsten bayrischen Kleinstädte machen konnten. Ungefähr 5 Jahre lebte sie wohl dort und kam erst als sie eine schwere Lungenentzündung erlitt zu ihrer Tochter Anna nach Eggolsheim zurück, wo sie nach ein paar Wochen, im Dezember 1925, an den Folgen der Krankheit verstarb. Ihr ausdrücklicher Wunsch war die Beerdigung in Burgkunstadt.

Im selben Jahr heiratete ihr Sohn Michael in Recklinghausen und seine Frau Anna wurde schwanger. Das erste gemeinsame Kind erhielt den Namen seiner Großmutter, Katharina. Und so ist nun auch die Geschichte der Familie Kraus ans Tageslicht gekommen.

Nachdem wir eine Runde über den Friedhof gegangen waren, liefen wir zurück zum 2km entfernten Bahnhof. Auf dem Weg kamen wir an weiteren historischen Häusern vorbei. Das der Ort katholisch geprägt ist, kann man gar nicht übersehen.

In der Bäckerei Wirth stärkten wir uns und danach nahmen wir spontan die S1 nach Nürnberg.

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